Ortsverein
Bad Schwalbach

Geschichte der SPD

Die sozialdemokratische Partei ist die traditionsreichste deutsche Partei. Seit über 140 Jahren setzt sie sich für Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. Wie keine andere Partei steht die SPD für Demokratie und Fortschritt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Zeit der Revolution von 1848 zurück.

1848: Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung 
Die Frühindustrialisierung und das Bevölkerungswachstum lösen in den Staaten des Deutschen Bundes Massenverelendung und tiefe Strukturveränderungen der Wirtschaft aus. Noch widerstehen die Regierungen dem Verlangen des Volkes nach nationaler Einheit und Demokratie. Oppositionelle Bestrebungen werden scharf unterdrückt. Kurz vor und in der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49 formieren sich erstmals zwei Strömungen der organisierten Arbeiterbewegung: der recht kleine Bund der Kommunisten unter Führung von Karl Marx und Friedrich Engels vornehmlich im Westen Preußens sowie die Arbeiterverbrüderung mit annähernd 15.000 Mitgliedern unter der Leitung von Stephan Born vornehmlich in Berlin, Sachsen und in Teilen Nord- und Süddeutschlands. Erste Gewerkschaften entstehen. Die Revolution scheitert, und die Anfänge der organisierten Arbeiterbewegung werden unterdrückt. 

1863 – 1869: Gründung der Arbeiterparteien 
Während zwischen Revolution und Reichsgründung die Industrialisierung ungemein an Fahrt gewinnt, liberalisiert sich das politische Klima nach einem Thronwechsel in Preußen. Ferdinand Lassalle gründet 1863 in Leipzig den „Allgemeinen deutschen Arbeiterverein“, der sich auf dem Gothaer Kongress 1875 mit der 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht in Eisenach gegründeten „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ zur „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ vereinigt.
Zum Teil eigenständig, zum Teil durch die Anstöße dieser Parteibildung, formiert sich die deutsche Gewerkschaftsbewegung in Berufsverbänden vornehmlich in der zweiten Hälfte der 1860er Jahre. 

1871 – 1878: Reichsgründung und Sozialistengesetz 
Die Gründung des Deutschen Reichs nach dem Krieg gegen Frankreich, unter Führung Bismarcks und Preußens, führt zu einem starken Wirtschaftsboom, in dem die Gewerkschaftsbewegung belebt wird. Diese und die Arbeiterparteien erleiden fortan zum Teil koordinierte Unterdrückungsmaßnahmen durch die konservative Reichsleitung, die Regierungen der Bundesstaaten und weite Kreise der Unternehmerschaft. Nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I., mit denen Sozialdemokraten nichts zu tun hatten, bringt Bismarck 1878 das Sozialistengesetz im Reichstag durch. Mit ganz wenigen Ausnahmen – die Reichstagsfraktion besteht weiter – werden alle sozialistischen und freigewerkschaftlichen Bestrebungen verboten. Sozialdemokraten werden zu „vaterlandslosen Gesellen“ erklärt, das vertieft die Spaltung der Gesellschaft im Kaiserreich. 

1890 – 1891: SPD und Gewerkschaften im Aufwind
Durch die Industrialisierung nimmt der Anteil der Arbeiterschaft an der Erwerbsbevölkerung im Deutschen Reich rasch zu. Trotz des Sozialistengesetzes bleibt die Sozialdemokratie eine politische Bewegung, die Unterstützung bei der arbeitenden Bevölkerung findet. Als das Sozialistengesetz nicht wieder verlängert wird, erreicht die SPD – so heißt sie seit 1890 – bei den Reichstagswahlen 1890 mit 19,7 Prozent der Stimmen den höchsten Wähleranteil. Sie gewinnt fortan durchgängig an Wählerstimmen hinzu, steht 1912 bei 34,8 Prozent und bildet nun auch die stärkste Fraktion im Reichstag. Die Gewerkschaften, deren Entwicklung in der Zeit des Kaiserreichs eng mit der SPD verbunden ist, formieren sich 1890 neu und erzielen seit 1895 ungeheure Mitgliederzuwächse. 

Auf dem Erfurter Parteitag 1891 wendet sich die SPD eindeutig hin zu marxistischen Annahmen und Überzeugungen. Das „Erfurter Programm “ lehnt sich in seinem theoretischen Teil an die Gesellschaftsanalyse von Marx und Engels an und fordert in seinem praktischen Teil unverzügliche, tiefgreifende Reformen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Mit Veröffentlichungen von Eduard Bernstein, Karl Kautsky, Rosa Luxemburg und anderen setzen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts scharfe interne Auseinandersetzungen über die theoretischen Grundlagen und den politischen Kurs der Sozialdemokratie ein. Im Vorfeld der Sozialdemokratie entfaltet sich eine breite Arbeiterkultur-Bewegung mit zahlreichen Kultur- und Freizeitorganisationen. Vor allem gründen sich eigene Organisationen für die Belange der sozialdemokratischen Frauen und Jugendlichen. Diese Vereine und Verbände verstärken die Bindung der Mitglieder an die Sozialdemokratie. Unter den sozialistischen Parteien, die sich 1889 in Paris zur sogenannten II. Internationale zusammengeschlossen haben, erringt die SPD eine Führungsrolle. 

1891 – 1914: „Sozialistengesetz“ und Parteiverbot 
Von Bismarck (1815-1898) zum „Reichsfeind“ gestempelt, wurde die SAP durch das Gesetz „wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ 1878 verboten. Desgleichen wurden alle Organisationen der SAP, ihre Presse und die von ihr aufgebauten Gewerkschaften durch dieses „Sozialistengesetz“ verboten, die Reichstagsfraktion jedoch blieb weiter bestehen. Ausnahmegesetze, polizeistaatliche Unterdrückung und Terror konnten den Aufstieg der Sozialdemokratie aber nicht verhindern. Unter dem „Sozialistengesetz“ verdreifachte die Partei ihre Stimmen und erhielt 1890 bei den Reichstagswahlen mit knapp 20 Prozent erstmals die meisten der abgegebenen Stimmen. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts, der gegen sie gerichteten Wahlbündnisse der bürgerlichen Parteien sowie der sie stark benachteiligenden Wahlkreiseinteilung erhielt sie als stimmenstärkste Partei jedoch nur 35 der 391 Mandate. Die Verfolgung unter dem „Sozialistengesetz“ hinterließ in der SAP tiefe Verbitterung und machte marxistische Ideen attraktiv und populär. Nach der Nichtverlängerung des „Sozialistengesetzes“ gründete sich die SAP 1890 offiziell als Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) neu. 

Das 1891 verabschiedete Erfurter Programm vertrat einen dogmatischen Marxismus, gegen den die sozialreformerische Politik der Freien Gewerkschaften sich jedoch immer stärker behauptete. Unbeschadet des innerparteilichen Streits um die richtige Theorie war die SPD die mit Abstand mitgliederstärkste Partei vor dem Ersten Weltkrieg und stellte 1912 erstmals auch die stärkste Reichstagsfraktion. Die SPD war vor allem die Partei protestantischer und konfessionsloser Industriearbeiter, aber sie hatte auch im Mittelstand Anhänger. Keine andere Partei unterhielt im Kaiserreich ein so dichtes Organisationsnetz von Vereinen, keine andere Partei prägte das soziokulturelle Milieu ihrer Anhänger so wie die SPD das der Arbeiterschaft. Noch vor dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich im Reichstag eine parlamentarische Zusammenarbeit zwischen der SPD und den bürgerlichen Mitte-Links-Parteien, auf regionaler Basis hatte es bereits vorher Koalitionen gegeben.

1914 – 1919: Weltkrieg und Revolution in Deutschland
Obwohl die SPD nach ihrem Programm eine Partei bleibt, die revolutionäre Veränderungen in Wirtschaft und Politik fordert, wirkt sie teilweise in den Kommunen, in manchen Ländern sowie insbesondere mittels ihrer engen Verbindungen zu den Gewerkschaften an konkreten Reformvorhaben mit. Nicht zuletzt unter dem Einfluss der Gewerkschaften entscheidet sie sich bei Ausbruch des von Deutschland maßgeblich mitverursachten Ersten Weltkrieges für die Unterstützung des Reichs in der militärischen Auseinandersetzung. Diejenigen Teile, die diesen „Burgfrieden“ nicht mittragen wollen, gründen zunächst den Spartakusbund und, seit 1917, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) . Anfang 1919 entsteht aus einem lockeren Parlamentsbündnis die Weimarer Koalition, das Regierungsbündnis aus MSPD , Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei, aus dem das erste Reichskabinett der Weimarer Republik hervorgeht. Bis zu den Reichtagswahlen im Juni 1920 verfügt die Koalition über eine parlamentarische Dreiviertelmehrheit. Als im Zuge der militärischen Niederlage eine breite Volksbewegung die deutschen Monarchien hinwegfegt, übernehmen die Mehrheits- und die Unabhängige Sozialdemokratie (MSPD, USPD) im „Rat der Volksbeauftragten“ die Reichsleitung und führen, von den Mehrheitssozialisten unter Friedrich Ebert vorangetrieben, allgemeine, gleiche Wahlen zu einer deutschen Nationalversammlung durch.

Erstmals gibt es in Deutschland ein Frauenwahlrecht, das die SPD schon im Erfurter Programm 1891 gefordert hatte. Als erste Frau spricht Marie Juchacz 1919 in einem deutschen Parlament. Im Zuge der Revolution werden die Gewerkschaften endlich von der Unternehmerseite als Tarifpartner anerkannt. Friedrich Ebert wird Reichspräsident. Die SPD wird zur maßgeblichen politischen Kraft auf dem Boden der Weimarer Verfassung, die sie als demokratische Grundordnung in weiten Bereichen mitgestaltet hat. 

Am linken Rand der politischen Arbeiterbewegung formiert sich an der Jahreswende 1918/19 die KPD als neue, revolutionäre Kraft. Die KPD wird, indem sie den linken Flügel der Unabhängigen Sozialdemokraten an sich bindet, zur Massenpartei und gerät bald unter den Einfluss des sowjetischen Kommunismus. Die reformorientierten Teile der USPD vereinigen sich 1922 wieder mit der Mehrheitssozialdemokratie. Scheidelinie zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten ist die Frage der Demokratie; die Kommunisten streben eine Diktatur nach sowjetischem Vorbild an. 

1919 – 1933: Spaltung – Kampf um Demokratie – Niederlage 
Die Frühzeit der Weimarer Republik ist von scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen um den Versailler Friedensvertrag und um die Konsolidierung der neuen Machtverhältnisse im Innern des Reichs geprägt. Mit Hilfe eines Generalstreiks gelingt es im Frühjahr 1920, den reaktionären Kapp-Lüttwitz-Putsch niederzuschlagen. Erst in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre stabilisiert sich das politische System. Die SPD kann, etwa im Bereich des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik, wichtige Reformen durchsetzen, die einen modernen Sozialstaat zum Ziel haben. Sie führt die Regierungen in einer Reihe von Bundesstaaten, vor allem Preußen, und wird auch in vielen Großstädten bereits zur wichtigsten gestaltenden politischen Kraft. Mit dem Hereinbrechen der Weltwirtschaftskrise ab 1930 erstarken die extremen Kräfte in der deutschen Politik. Die Arbeitslosigkeit nimmt ein nie gekanntes Ausmaß an. Begünstigt durch konservative und reaktionäre politische Kreise, die bis weit in das bürgerliche Parteienspektrum hineinreichen, gewinnt die extreme Rechte in der Hitler-Bewegung ungemein an Einfluss. Die anhaltende Spaltung der deutschen politischen Arbeiterbewegung , die sich alltäglich in scharfen Auseinandersetzungen dokumentiert, begünstigt diesen Aufstieg, verursacht ihn aber nicht. Ende Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler. Der Terror der Nationalsozialisten gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, später auch gegen bürgerliche Kräfte, setzt ein. In der Abstimmung im Reichstag über das Ermächtigungsgesetz, mit dem alle bürgerlichen Parteien Hitler formell zum Diktator machen, bäumt sich die deutsche Sozialdemokratie unter Führung von Otto Wels als einzige politische Kraft gegen die NSDAP auf. 

1933 – 1945: Widerstand und Emigration
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung werden Sozialdemokraten wie auch andere Gegner des Nationalsozialismus verhaftet, misshandelt, ermordet. Führungskräfte der Sozialdemokratie halten als Exil-Parteivorstand (Sopade) zunächst von Prag, später von London aus die Führungsstruktur der Sozialdemokratie aufrecht. Sie versuchen, Kontakt zu halten und, wo das möglich erscheint, Widerstandszirkel zu organisieren. Solche Widerstandsgruppen bilden sich vielfach im Arbeitermilieu, teilweise auch unter dem Einfluss linkssozialistischer Gruppen.

Die Sozialdemokraten, die seit den frühen 1920er Jahren energisch gegen die Hitler-Bewegung gekämpft haben, setzen den Kampf fort und versuchen im Prager Manifest von 1934, die demokratischen Kräfte zu bündeln. Trotz Annäherungen gibt es keine Einigung mit den kommunistischen Exil- und Widerstandskräften. Sozialdemokraten und Gewerkschafter wie Julius Leber und Wilhelm Leuschner beteiligen sich an dem gescheiterten Aufstandsversuch vom 20. Juli 1944. 

1945 – 1949: Neubeginn und Teilung
Die Zerstörung Deutschlands durch die nationalsozialistische Diktatur führt am 8. Mai 1945 in die bedingungslose Kapitulation und in die Aufteilung des Deutschen Reichs in Besatzungszonen. Unter Kurt Schumacher, der eine Vereinigung mit den Kommunisten kategorisch ablehnt, formiert sich in den Westzonen die SPD als eine demokratisch-sozialistische Volkspartei, die eine Öffnung zu den Mittelschichten anstrebt. In der Ostzone gelingt es der KPD unter Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht mit Unterstützung der sowjetischen Machthaber, die starken sozialdemokratischen Kräfte in ein Parteibündnis zu zwingen (Zwangsvereinigung 1946 ) und die SED als diktatorische Einheitspartei zu konstituieren. Mehr als fünftausend SPD-Mitglieder werden verhaftet, Tausende müssen flüchten. Kommunisten besetzen die Schlüsselpositionen der neuen Partei, und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund gerät unter deren Herrschaft. In den Westzonen können sich die Gewerkschaften zunächst unter der Aufsicht der Westalliierten neu formieren. Sie überwinden ihre richtungsgewerkschaftliche Spaltung und bilden 1949 in München den Deutschen Gewerkschaftsbund als Einheitsgewerkschaft, die parteipolitisch unabhängig ist, gleichwohl aber in ihren Zielen vielfach mit der Sozialdemokratie übereinstimmt. 

1949 entstehen die Bundesrepublik Deutschland und die DDR; am Bonner Grundgesetz, das in den Verfassungsberatungen des Parlamentarischen Rats vorbereitet wurde, haben Sozialdemokraten, allen voran Carlo Schmid , maßgeblich mitgewirkt. Die SPD erreicht im Westen bei den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag 29,2 Prozent der Stimmen. Mit ganz knapper Mehrheit kann die CDU die Führung der jungen Republik übernehmen, während die SPD sich in der Rolle der „konstruktiven Opposition“ sieht. Sie wird nach Schumachers Tod 1952 von seinem Nachfolger Erich Ollenhauer geführt, der sich erfolgreich um den innerparteilichen Zusammenhalt von Funktionären und Mitgliedern bemüht, dessen Erfolg bei den Bundestagswahlen. 

1949 – 1969: Wiederaufbau, Kalter Krieg, Westintegration
Als Oppositionspartei im Bundestag gewinnt die SPD in den 1950er Jahren immer stärkeren Einfluss in den Städten und Ländern. Außenpolitisch zunächst von dem Vorrang der Wiedervereinigung geleitet, lehnt sie – obgleich prinzipiell proeuropäisch orientiert – Adenauers Westpolitik ab. Sie bejaht die Römischen Verträge und schwenkt Ende der 50er Jahre auf den Kurs der Westintegration ein, ohne das Ziel der Wiedervereinigung aus den Augen zu verlieren. In der DDR haben am 17. Juni 1953 gegen den Massenaufstand von Arbeitern nur noch sowjetische Panzer die Herrschaft des SED-Regimes gerettet: Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. 1961 vollendet der Mauerbau auch physisch die Spaltung des Landes.

Die SPD verabschiedet 1959 nach einem längeren kontroversen Diskussionsprozess das Godesberger Grundsatzprogramm und öffnet sich damit endgültig zur Volkspartei. Sie gewinnt breite Wählerschichten hinzu, nicht zuletzt aus kirchlich gebundenen Kreisen. Willy Brandt und Herbert Wehner führen die Partei in die Regierungsverantwortung – zunächst ab 1966 im Rahmen einer Großen Koalition mit der CDU, seit 1969 in einer sozial- liberalen Koalition mit der FDP. Dem gehen wichtige Veränderungen auf der Ebene der Bundesländer, so 1966 die Übernahme der Regierungsverantwortung in Nordrhein-Westfalen, und 1969 die Wahl des Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten voraus. In den meisten Großstädten der Bundesrepublik hat die SPD in den 1950er und 1960er Jahren das Vertrauen der Mehrheit der Wähler in der Kommunalpolitik gewonnen. 

1969 – 1982: Reformen, Demokratie, Frieden
Die Zeiten sind reif für den Aufbruch aus konservativer Erstarrung und für Reformen und neue Wege der Friedenssicherung und Entspannung. 1969 wird Willy Brandt der erste sozial-demokratische Bundeskanzler der Nachkriegsgeschichte. Er ergänzt die Westintegration durch die „neue Ostpolitik“, die durch Verträge mit der Sowjetunion, Polen, der Tschechoslowakei und durch einen Grundlagenvertrag mit der DDR, der durch weitere Verträge ausgefüllt wird, zu einem geregelten Nebeneinander mit den kommunistisch regierten Ländern führt. Sie erreichen Erleichterungen für die Menschen in Deutschland und stärken die Verbindungen zwischen den beiden Teilstaaten. Für diese Politik, an deren Entwicklung auch Egon Bahr einen wichtigen Anteil hat, erhält Willy Brandt am 10. Dezember 1971 den Friedensnobelpreis. 

Ende der 1960er Jahre kann sich die SPD zugleich an die Spitze starker Reformkräfte der westdeutschen Gesellschaft setzen, die auch von der Studentenbewegung in Gang gesetzt worden sind. 1972 erringt Willy Brandt einen überzeugenden Wahlsieg. In diesem Jahr gründet sich die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und überholte Rechtsnormen, z.B. der § 218, werden reformiert. Die Regierung nimmt das Verlangen nach Gleichberechtigung der Frau ernst und wird Anwalt eines modernen Ehe- und Familienrechts. Nach Enttarnung eines DDR-Spions im Kanzleramt übergibt Willy Brandt 1974 das Amt des Bundeskanzlers an Helmut Schmidt . Unter sozialdemokratischer Führung wird in den 1970er Jahren die Herausforderung des Links-Terrorismus überwunden, und es gelingt der sozial-liberalen Regierung, die Folgen der Ölkrisen und andere weltwirtschaftliche Turbulenzen zu meistern. 

Die Politik dieser beiden sozialdemokratischen Kanzler für ein modernes Deutschland mehrt die soziale Gerechtigkeit durch den Ausbau des Sozialstaats und verschafft der Bundesrepublik Deutschland internationales Ansehen. Die Sozialdemokratie führt eine intensive Debatte über Abrüstung, Rüstungspolitik und Friedenssicherung. 

1982 – 1989: Opposition, Erneuerung, deutsche Wiedervereinigung 
1982 verlässt die FDP die sozialliberale Koalition und verschafft den Unionsparteien die Mehrheit in Bonn. Die SPD wird auf die Rolle der Opposition zurückgeworfen und beginnt einen anhaltenden Prozess programmatischer Erneuerung, in dem sie ihre Rolle als demokratische Partei in einem hochentwickelten Industrieland neu definiert und Antworten auf die Herausforderungen durch die neuen sozialen Bewegungen formuliert. Als politische Kraft erstarkt sie in den Landtagen und übernimmt Regierungsverantwortung in der Mehrheit der Länder. Obwohl 1987 Willy Brandt den Vorsitz der Partei in die Hände von Hans-Jochen Vogel übergibt, bleibt seine Stimme in der Politik von Gewicht. 

Sie wird besonders deutlich gehört, als 1989 die Berliner Mauer fällt – „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“ -, die kommunistischen Diktaturen zusammenbrechen und die beiden deutschen Staaten vereinigt werden können. Noch unter der SED-Diktatur wird in der DDR von mutigen Bürgerrechtlern wie Markus Meckel und Martin Gutzeit die SDP (Sozialdemokratische Partei in der DDR ) als Bruderpartei der westdeutschen SPD gegründet; noch vor der deutsch-deutschen Vereinigung verschmelzen 1990 beide Parteien. 

1990 bis 2005: Die Zukunft gewinnen 
1989 wird in Berlin ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet, das die Ergebnisse der gesellschaftlichen und innerparteilichen Diskussion zur sozialen und ökologischen Erneuerung der Industriegesellschaft bündelt. Nach einer Phase, in der die Sozialdemokratie ihre Position in den Ländern ausbaut, doch bundespolitisch in der Opposition bleibt, werden „Innovation und Gerechtigkeit“ die Leitbegriffe, unter denen die SPD unter der Führung von Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder die Bundestagswahl am 27. September 1998 gewinnt. Der
neue Bundeskanzler Gerhard Schröder und seine Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen nehmen sich ein ehrgeiziges Reformprogramm vor, das auf die Korrektur sozialer Ungerechtigkeiten, die Ordnung der zerrütteten Staatsfinanzen, eine umfassende Steuerreform und Investitionen in Zukunftsaufgaben zielt. Nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines von allen seinen Ämtern wird Gerhard Schröder im April 1999 auch Parteivorsitzender. Der Berliner Parteitag im Dezember 1999 bestätigt ihn in diesem Amt und wählt Franz Müntefering zum neuen Generalsekretär der Partei. Die SPD war an der Jahrhundertwende wieder die wichtigste gestaltende politische Kraft in Deutschland. Unter sozialdemokratischer Führung hat eine umfassende Modernisierung der deutschen Gesellschaft im europäischen Kontext begonnen.  

Das Kabinett Schröder setzt wichtige Akzente für einen gesellschaftspolitischen Aufbruch: Familien rücken in den Mittelpunkt vieler politischer Initiativen und profitieren so von spürbaren Entlastungen. Bildung und Forschung werden massiv gefördert – die Investitionen für die Verkehrsinfrastruktur erreichen einen noch nie da gewesenen Spitzenwert. Damit Deutschland wieder zusammenwächst, wird der Solidarpakt verlängert und die Ausgaben für den Aufbau Ost werden erhöht. Außenpolitisch hat die Regierung Schröder große Herausforderungen zu meistern: Im Kosovo-Konflikt sind deutsche Soldaten erstmals an einem militärischen Einsatz beteiligt. Ein souveränes Deutschland findet eine neue, verantwortungsvolle Position in der internationalen Politik. Am 11. September 2001 erschüttern die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon in den USA die ganze Welt. Deutschland ist von Beginn an ein wichtiger Partner in der als Reaktion auf den Anschlag gebildeten „Koalition gegen den internationalen Terrorismus“. Nach der gezielten Bekämpfung der fundamentalistischen Taliban-Regierung begleitet die deutsche Regierung im Verbund mit den europäischen Nachbarn den friedlichen und demokratischen Neuanfang in Afghanistan. 

Europa ist enger zusammengewachsen; zum 1. Januar 2002 wird der gemeinsame europäische Wirtschaftsraum auch für die Menschen erfahrbar. In einer beispiellosen Währungsumstellung wird der Euro erfolgreich als gesamteuropäische Währung eingeführt. Am 22. September 2002 gewinnt Rot-Grün die Bundestagswahl. Die SPD wird zum dritten Mal stärkste Partei im deutschen Bundestag. Unter der Kanzlerschaft Gerhard Schröders macht sich die SPD auf den Sozialstaat zu erneuern, um ihn zu erhalten. 

2005 bis Große Koalition 
Nach mehreren verlorenen Wahlen auf Kommunal- und Landesebene stellt Kanzler Gerhard Schröder die Vertrauensfrage. Die SPD hatte zuvor nach über 40 Jahren die Regierung in Nordrhein-Westfalen verloren. Trotz eines Riesenrückstands in den Umfragewerten gelingt der SPD unter der Führung von Gerhard Schröder eine beispiellose Aufholjagd und die Verhinderung von einer CDU/FDP-Koalition im Bund. Schließlich bildet sich eine Große Koalition unter der ersten Kanzlerin der Bundesrepublik, Angela Merkel, und der SPD als „Juniorpartner“. Die Koalition steht vor der Herausforderung, trotz einer dringend notwendigen Haushaltssanierung Deutschland zukunftsfest zu machen und dabei weiter in den Sozialstaat sowie Bildung und Forschung zu investieren.